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Das kleine WIR

  • Autorenbild: Georg Steinmaier
    Georg Steinmaier
  • 12. Okt. 2022
  • 2 Min. Lesezeit

Mein großes Kind ist dieses Jahr eingeschult worden. Irgendwo in den LKW-Ladungen an Geschenken, die es geschenkt bekommen hat, hatte sich dieses Buch versteckt - das kleine WIR.

Aufgrund der direkter Konkurrenz zu ferngesteuerten Drohnen und Zauber-Tinte-Glitzer-Dino-Stiften hat es bis jetzt gedauert, ehe es zum Vorschein gekommen ist (ich war ja als Kind schon von Bleistiften die hinten einen Radiergummi dran hatten schwer beeindruckt).

Beim Vorlesen bin ich normaler Weise äußerst routiniert, das heißt ich kann gleichzeitig für mich eher nicht so interessante Lektüre vorlesen (z.B. PJ-Masks-Comics, deren Handlungsstrang sich für mich ähnlich gut erschließen lässt wie der Satz des Phytagoras) UND darüber nachdenken was ich tolles zum Abendessen kochen könnte (und die Kinder nicht essen werden).

Beim kleinen WIR bin ich aber plötzlich total gerührt: Es entsteht überall dort, so sich Menschen mögen oder wo Menschen zusammen sind. Zum Beispiel zwischen den Schüler*innen einer Klasse. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie es weitergeht: Lernen macht mehr Spaß mit dem WIR, es schafft Zusammenhalt, Gemeinheiten tun ihm weh... Nach kurzem Nachdenken verstehe ich meine Betroffenheit: Das kleine WIR ist der wichtigste Teilnehmende in fast jeder Supervision von mir. Bei Teamtagen sitzt es mir manchmal auf dem Schoß, manchmal knallt es aber auch die Tür zu und alle warten Stunden bis es endlich zurück kommt.

Trotzdem lässt sich oft gar nicht so leicht sprechen über das kleine WIR - im Deutschen gibt es noch nicht mal ein richtig gutes (mir bekanntes) Wort dafür. Klar, wenn es super läuft und alle finden, dass sie in einem tollen Team arbeiten, wird das WIR auch öfter betont.

Wenn es aber verschwunden ist, und man seinen Kolleg*innen kaum in die Augen blicken kann, ohne dass drei Vorwürfe aus einem herausgeschossen kommen, ist es oft ein weiter Weg, bis das kleine WIR wieder Thema sein darf...

Der Weg geht dann oft darüber, Rollen zu klären, Aufgaben zu definieren und sich auf die Suche nach dem Purpose zu machen...

Im Buch wird das kleine Wir, nachdem der arme Lars als Popel-Liese gemobbt worden ist, wieder aufgebaut mit einem Scheibchen Zuhören, einer Prise Einfühlen, einer großen Portion Mutmachen, verziert mit "Du bist nicht allein"-Streuseln.

Ein Patentrezept, dass leider wahrscheinlich nur funktioniert, wenn das WIR in eine Schulklasse geht, und wie hier anhand seiner giftgrünen Fellfarbe und rot-weiß-gestreiften Nase schon von Weitem zu erkennen ist.

Aber auch für den oft nicht so billderbuchhaften sondern eher undurchsichtigen Arbeitsalltag lässt sich was für mich ableiten: Das kleine WIR öfter mal zum Thema machen. Und fragen, wie es genau aussieht. Damit möchte ich nicht auf schöne Worte hinaus wie Respekt, Wertschätzung etc. - alles gute Sachen, aber leider oft auch nur Worthülsen ohne Bedeutung.

Für mich ist das kleine WIR das, was man an seinen Kolleg*innen wirklich großartig findet oder wofür man sie sogar bewundert (auch wenn sie einen vielleicht den größeren Teil des Tages ordentlich auf die Nerven gehen). Und die eine Sache, für die man wirklich gemeinsam brennt. Die Überzeugung, die alle teilen. Die Herausforderungen, die man gemeinsam gemeistert hat. Oder der Humor, der zusammen auch die verrückteste Idee der Geschäftsführung und den anspruchsvollsten Kunden der Welt ertragbar macht.

Als kleine Gedankenstütze trage ich mir das kleine WIR jetzt mal an erster Stelle auf meiner Teilnehmenden-Liste ein. In nur für mich sichtbarer Zaubertinte.



 
 
 

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Georg Steinmaier

Supervisor und Coach DGSv

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